17.07.2025
Familie Eguren baut Weingüter für Jahrhunderte und holt mit rigorosen Maßnahmen das Beste aus Rioja und Toro heraus.
Wir folgen Exportmanager Arnaud Lisoir mit dem Auto und haben kaum Zeit, die Eindrücke, die wir eben im Stammhaus der Familie Eguren in San Vicente bekommen haben, zu verarbeiten. Schon der über 150 Jahre alte Familiensitz beeindruckt durch seine schiere Größe und die historische Atmosphäre. Doch was dann folgt, lässt uns staunen: Vor uns erhebt sich ein massiver Hügel. In den Fels geschlagen führt eine Zufahrt mit Seitenwänden, die am Ende rund zehn Meter hoch aufragen. Durch ein monumentales Tor – das an Kulissen von Monumentalproduktionen wie Game of Thrones erinnert – betreten wir den Weinkeller. Es eröffnet sich eine weitverzweigte, unterirdische Welt, in der Tausende Barriquefässer lagern.
Die Anbaufläche im Rioja-Gebiet ist etwa eineinhalb Mal so groß wie jene in ganz Österreich (65.000 Hektar vs. 45.000 Hektar). Noch frappierender wird der Unterschied bei der durchschnittlichen Betriebsgröße: Während ein österreichischer Betrieb im Schnitt 4,5 Hektar bewirtschaftet, sind es im Rioja-Gebiet 87 Hektar. Es verwundert also nicht, wenn einem Weingüter von gigantischem Ausmaß begegnen. CVNE (Compañía Vinícola del Norte de España) verfügt alleine über rund 1.000 Hektar eigene Rebfläche.
„Bislang wurden rund 750 Meter an Kellergängen gegraben“, erzählt Lisoir. „Doch wir brauchen noch etwa das Doppelte.“ Wein-Visionär Marcos Eguren will mit diesem Projekt ein Denkmal für Generationen schaffen. Mithilfe einer eigens entwickelten Maschine lässt er Blöcke aus dem Fels schneiden, mit denen er auf dem Hügel ein monumentales Weingut errichtet hat – und weiter ausbauen will. Aus der jetzigen L-Form soll in den kommenden Jahren ein geschlossenes Rechteck entstehen. Erst als wir vom Keller zum oberirdischen Weingut gehen, wird uns bewusst, wie hoch der gesamte Bau ist. Beim Betreten der riesigen Fermentationshalle mit Dutzenden Gärtanks aus Metall, Holz und Beton verstehen wir, warum so viele Felsblöcke benötigt wurden. Mit dem angrenzenden Barrique-Lager (nur für den aktuellen Jahrgang) misst dieser Gebäudeteil rund 100 Meter.
Die Wurzeln der Familie Eguren reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Bereits 1870 begann Marcos’ Urgroßvater mit dem Weinbau in San Vicente de la Sonsierra, einem Dorf am Fuße der Sierra de Cantabria. Doch es war Marcos Eguren, der das handwerkliche Erbe auf ein neues Niveau hob. Sein Bruder Miguel steht ihm dabei zur Seite und sorgt mit wirtschaftlicher Führungsstärke für den nötigen Rückhalt. Seit den 1980er-Jahren haben die beiden die Qualität ihrer Weine radikal gesteigert – während die Rioja-Region damals noch stark von Massenproduktion geprägt war.
Das gesamte Rioja-Gebiet orientiert sich bis heute hauptsächlich an seiner Qualitätspyramide mit den Kategorien Crianza, Reserva und Gran Reserva. Die Herkunftsphilosophie spielt noch eine untergeordnete Rolle und beschränkt sich auf die grobe Einteilung in die „Zonas“ Rioja Oriental (ehemals Baja), Alta und Alavesa. Erst seit 2017 werden Einzellagenweine (Viñedos Singulares) systematisch ausgewiesen – deren Weingärten müssen mindestens 35 Jahre alt sein. Marcos Eguren gilt in diesem Bereich als Pionier: In seinen Weingütern finden sich zahlreiche, vielfach ausgezeichnete Lagenweine. Im Gesamtvolumen des Rioja spielen sie allerdings noch eine untergeordnete Rolle.
Als Marcos Eguren erstmals Verantwortung in den bestehenden Weingärten übernehmen durfte, setzte er auf den regionalen Tempranillo-Klon Peludo, der durch besonders dichte, aromatische Beeren und charaktervolle Struktur besticht. Akribisch dokumentierte er, welcher Rebstock wie viel Ertrag bringt. Als sein Vater ihn dafür lobte, dass er so den Ertrag steigern könne, musste ihn Marcos enttäuschen: Statt die ertragsarmen Stöcke zu ersetzen, eliminierte er die Massenträger. Doch langfristig gab ihm der Erfolg recht – seine Riojas gelten heute als absolute Qualitätsspitze.
In der Folge gründete Eguren mehrere stilistisch klar getrennte Weingüter: Sierra Cantabria, Señorío de San Vicente und Viñedos de Páganos in der Rioja Alta bzw. Rioja Alavesa. Im Toro-Gebiet setzte er mit dem Weingut Numanthia Termes einen weiteren Meilenstein.
Mit dem Termanthia 2004 machte er das Toro-Gebiet international bekannt. Der Wein stammt von wurzelechten Reben, die bis zu 130 Jahre alt sind, und wurde mit 100 Parker-Punkten geadelt. Das Interesse internationaler Investoren war groß, und 2008 verkaufte die Familie Eguren das Weingut an den Luxusgüterkonzern Louis Vuitton Moët Hennessy (LVMH). Medien berichteten von einem Kaufpreis von 25 Millionen Euro. Der Verkauf ermöglichte der Familie, in der Region zu bleiben und ein neues, ambitioniertes Projekt zu starten: Teso La Monja ist bis heute in Familienbesitz.
Wir fragen Marcos Eguren, welches Gebiet ihn für ein neues Projekt reizen würde. Er antwortet schmunzelnd: „Eigentlich interessiert mich eine weitere Expansion nicht mehr – ich will mich zur Ruhe setzen, jetzt ist die nächste Generation dran. Aber wenn Sie mich so fragen: Ich sehe großes Potenzial im Bierzo. Ähnlich wie im Toro-Gebiet gibt es dort unglaubliche Reben-Schätze – wurzelecht und oft weit über 100 Jahre alt.“
Heute stehen neben Marcos auch seine Söhne Eduardo und Víctor in der Verantwortung. Die Geschichte der Familie Eguren ist also noch lange nicht zu Ende geschrieben. Allein das monumentale Weingut Sierra Cantabria wird viele Generationen überdauern.
El Puntido 2021 – eine Monopollage direkt beim Weingut Viñedos de Páganos. Dunkelrubin, opak im Kern. In der Nase dunkle Kräuter wie Wermut, Lakritz. Am Gaumen mit solider Tanninstruktur, dennoch saftig und trinkfreudig. Tolle Balance, Zigarrenkiste, Edelhölzer – heute schon groß, aber mit noch viel Potenzial.
Alabaster 2007 – vom Toro-Weingut Teso La Monja, aus bis zu 130 Jahre alten Reben auf 800 bis 900 Metern Seehöhe. Der Tempranillo-Klon Tinta de Toro wurde händisch entrappt und reifte 18 Monate in neuen französischen Barriques. Tiefdunkles Rubinrot, opaker Kern. In der Nase schwarze Kirschen, dunkle Beeren, Bitterschokolade. Am Gaumen jugendlich frisch mit enormer Intensität und seidiger Textur. Getragen von gut balancierter Säure und salziger Mineralität. Heute perfekt – und mit weiterem Reifepotenzial.
Bezugsquelle: www.bodegarioja.at
Website: www.sierracantabria.com
Restaurant: Restaurante el Puntido
von Bernhard Degen
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