19.01.2024

Karl Neustifter feiert ein Jahrzehnt Stockkultur

Der Weinviertler Winzer erzieht Grünen Veltliner so wie früher an dichtgereihten Stöcken ohne Drahtrahmen.

Der Stockkultur Weingarten
Der Stockkultur Weingarten © Robert Herbst

Nein, die Stockkultur ist keine neue Erfindung von Karl Neustifter aus dem Weinviertler Poysdorf. Eher eine durchaus sinnvolle Rückbesinnung. Schon Römer und Griechen der Antike pflegten diese Art der Wein-Bepflanzung. Die Rebstöcke werden im Abstand von 80 Zentimetern und einer Reihenbreite von nur einem Meter gepflanzt. Das ergibt einen dichten Wald von Rebstöcken mit jeweils einem Holzpfosten.

Im Vergleich zur heute üblichen Hochkultur mit Drahtrahmen ist der Arbeitsaufwand allerdings um ein Vielfaches höher. Durch die dichte Bepflanzung erfolgt die Pflege der Rebstöcke ausschließlich mit Handarbeit. 

Vier Mal mehr Aufwand bedeutet das für die Arbeit im Weingarten, um am Ende einen außergewöhnlichen Wein ins Glas zu bringen“, 

betont Karl Neustifter, der seinen Stockkulturweingarten im Jahr 2007 angelegt hat. Das hat auch seinen Preis, eine Flasche Neustifter kommt ab Hof auf 96 Euro.

„Ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich damals nicht noch mehr Fläche als Stockkultur ausgesetzt habe,“ schmunzelt der Winzer. „Für die Ernte im Stockkulturweingarten benötigen wir sieben bis acht Erntehelfer*innen, die bis zu einer Woche beschäftigt sind“, ergänzt Tochter Monika Neustifter.

Monika und Karl Neustifter mit einem Weingartenarbeiter
Monika und Karl Neustifter mit einem Weingartenarbeiter © Paul Landl

Erfolgsformel

Doch der Aufwand lohnt sich, das wissen auch Winzerkollegen wie Toni Bodenstein in der Wachau oder Christian Tschida am Leithaberg, die legendäre Weine aus Stockkulturen keltern. Durch die dichte und konkurrierende Bepflanzung werden die Pflanzen gezwungen, besonders tief zu wurzeln. Dadurch wiederum wird mehr Mineralität und Bodencharakter extrahiert.

Verkostung

Anlässlich des Jubiläums haben wir drei ausgewählte Jahrgänge Grüner Veltliner Stockkultur verkostet:

Neustifter 2011

Kräftiges goldgelb; Kamille, Tabak, Heu und reife Birne in der Nase; runde aber rüstige Tannine am Gaumen, Honignoten und Dörrobst. Nashi-Birne im Nachhall. Wirkt noch fast jugendlich und lässt sich sein Alter keineswegs anmerken.

Neustifter 2017

Gedecktes goldgelb; Trockenfrüchte, Birne und Kochbanane in der Nase; am Gaumen ruhig und ausgewogen mit Mandeln, Kernobst und feinen Bitternoten.

Neustifter 2020

Goldgelb; Steinobst, kandierte Früchte und Ananas in der Nase; attraktiver Fruchtschmelz am Gaumen, feine Tanninstruktur mit Steinobst (Pfirsich!) im Nachhall. Schon gut antrinkbar, birgt aber noch einiges Potenzial.

Jahrgang 2020
Jahrgang 2020 © Weingut Neustifter

Fazit

Alle Weine haben eine wiedererkennbare Stilistik und sind in sich schlüssig. Ein Winzer, ein Wein, eine Machart. Bei der Nachverkostung am nächsten Tag haben alle drei Weine noch an Ausdrucksstärke gewonnen. Die Weine sind Langstreckenläufer und sollten mit Bedacht und Geduld genossen werden. Grüner Veltliner Neustifter passt sehr gut zu kräftigen Gerichten wie Hummer, zu Ragouts mit Lamm oder Wild oder Gegrilltem. Ist aber auch solo ein Fest. Unbedingt im Burgunderglas und nicht zu kalt servieren.

www.weingut-neustifter.com

von Bernhard Degen

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