20.09.2023

So wichtig ist Gastronomie für Tourismus

Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler diskutiert mit Gault&Millau-Vertreter*innen aus aller Welt die aktuelle Situation und Herausforderungen.

Martina Hohenlohe, Susanne Kraus-Winkler, Karl Hohenlohe im Sacher
Martina Hohenlohe, Susanne Kraus-Winkler, Karl Hohenlohe im Sacher (c) Gault&Millau / Mila Zytka

Die Gault&Millau-Genussmesse im Wiener Kursalon Hübner am vergangenen Wochenende war nicht nur Publikumsmagnet für tausende Gäste, auch zahlreiche Vertreter*innen von Gault&Millau International machten sich persönlich ein Bild von der populären Veranstaltung mit 100 Köch*innen, Weingüter und vielen Produzent*innen. Am Montag nach der Genussmesse trafen sich die Gault&Millau Herausgeber*innen aus Ländern von Frankreich bis Dubai im Hotel Sacher zu einem internationalen Austausch. Als Guestspeakerin war Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler geladen, sie diskutierte mit den Gourmet-Journalist*innen die Rolle von Gastronomie für den Tourismus und stand für Fragen als Vertreterin der österreichischen Regierung zur Verfügung. 

Zu Beginn erörterte Susanne Kraus-Winkler, wie wichtig Tourismus für die heimische Wirtschaft ist und dokumentierte dies anhand eindrucksvoller Zahlen: “6,2 Prozent unseres nationalen BIPs entfallen auf Tourismus, im Schnitt arbeiten über 200.000 Menschen in der Branche. Wir haben ungefähr 41.000 Gastronomiebetriebe, darunter auch sehr kleine. Und wir haben ca. 11.000 Hotels in Österreich. Dazu kommen 45.000 Privatunterkünfte, die über Plattformen wie Airbnb, aber auch booking.com an jedermann vermietet werden. Österreich ist ein Tourismusland. Wir haben Gebiete, wo das regionale BIP bis zu 60 Prozent beträgt.”

Martina Hohenlohe und Susanne Kraus-Winkler
Martina Hohenlohe und Susanne Kraus-Winkler © Gault&Millau / Mila Zytka

Generationenwechsel

Die Staatssekretärin wies im Gespräch auf eine besondere Herausforderung in der Zukunft hin: “Wir wissen, dass 75 Prozent aller Restaurants und Hotels in Österreich innerhalb der nächsten zehn Jahre Nachfolger suchen müssen. Das wird natürlich auch eine große Veränderung in der Branche selbst mit sich bringen, weil wir sehen, dass einige Hotels und Restaurants aufgrund ihrer Lage, aufgrund ihrer Möglichkeiten, sich dem neuen Wettbewerb anzupassen, Schwierigkeiten haben, einen Weg in die Zukunft zu finden. 

Gastronomie als Destinationsentscheidung

Die Frage, ob Gastronomie ein entscheidendes Motiv ist, um nach Österreich zu reisen, beantwortete Kraus-Winkler mit einem klaren Ja. In der Rangliste der Gründe für einen Österreich-Urlaub liegt die Gastronomie schon an vierter Stelle. Es geht nicht nur um Natur, Sport und Kultur, sondern auch um die Gastronomie. Viele kommen wegen traditioneller Gerichte von Wiener Schnitzel bis Kasspätzle, viele aber auch wegen der Spitzengastronomie. In der Folge wird heftig diskutiert, ob es bekannte Küchenchefs als Aushängeschilder braucht und man einigt sich darauf, dass es vor allem einen Gastgeber braucht, egal welche Rolle er im Betrieb spielt. Jemand, der Gäste mit Namen begrüßt und ihnen ein warmes Gefühl gibt. 

Arbeitskräftemangel

Auf Anfrage geht Susanne Kraus-Winkler auf die aktuellen Herausforderungen am Arbeitsmarkt ein, betont aber eingangs, dass mehr Menschen in Gastronomie und Tourismus arbeiten als je zuvor. “Im Juli hatten wir fast 250.000 Beschäftigte in der Branche. Aber natürlich arbeiten die Menschen aufgrund der Work-Life-Balance und eines anderen Verständnisses von Arbeit im Allgemeinen im Laufe ihres Lebens weniger Stunden, sodass wir vielleicht sogar noch mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen. Aber das Problem, speziell mit den Fachkräften und insbesondere mit den Köchen und dem Servicepersonal, ist überall auf der Welt dasselbe. Es hängt immer vom Standort und dem Image des Restaurants ab, ob Menschen dort arbeiten wollen. Was wir derzeit sehen, ist, dass diejenigen, die keine interessanten Standorte und Konzepte haben, viel härter kämpfen”, so die Regierungs-Vertreterin. Die Herausforderung besteht künftig darin, dass die Arbeit in der Gastronomie an das Arbeitsverständnis der neuen Generationen angepasst werden muss.

Susanne Kraus-Winkler
Susanne Kraus-Winkler © Gault&Millau / Mila Zytka

Rolle der Restaurantführer

Gault&Millau Österreich Herausgeberin Martina Hohenlohe möchte von Susanne Kraus-Winkler wissen, welchen Einfluss Restaurantführer auf die Gastronomie eines Landes ausüben. Die Staatssekretärin betont die wichtige Rolle der Guides, um einen Überblick über das gastronomische Angebot und die Qualität in einem Land zu bekommen. Es sind alle Informationen gesammelt, um eine Gastronomietour gestalten zu können. Und viele Gäste wollen wissen, wer irgendwo die neueste Nummer eins ist, Gourmets folgen den weltbekannten Köch*innen nahezu überall hin.

Analog versus Digital

In der Folge entbrennt eine Diskussion, ob es noch einen gedruckten Guide braucht, oder ob nicht ohnehin schon alle Apps nutzen. Die 68-jährige Staatssekretärin outet sich als Verfechterin digitaler Medien und lobt die großartigen Möglichkeiten. Marc Declerck, der Herausgeber von Gault&Millau Belgien, berichtet hingegen von großer Beliebtheit des Druckwerks in seinem Land, es erscheint mit einer stolzen Auflage von 30.000 Stück, obwohl es parallel eine Gratis-App mit demselben Inhalt gibt. Es sind Dinge wie Wertigkeit, Seriosität im Vergleich zu vielen Blogger*innen und die Eignung als Geschenk, die weiterhin für einen Guide sprechen. “Print ist definitiv nicht tot, wenn man es richtig einsetzt", unterstreicht Declerck.

Man ist sich schließlich einig, dass Print heutzutage absolut seine Berechtigung hat, aber dass die nächste Generation so gut wie keine gedruckten Publikationen mehr kauft. Wir befinden uns in einer Zeit des Übergangs. 

Vertreter der internationalen Gault&Millau-Familie
Vertreter der internationalen Gault&Millau-Familie © Gault&Millau / Mila Zytka

Leistbarer Luxus

Die Diskussion dreht sich schließlich um die Wertigkeit der Gastronomie in den verschiedenen Ländern. Unwidersprochen spielen Restaurants in Ländern wie Frankreich oder Italien eine zentralere Rolle als in Österreich. Hierzulande gönnen sich die Bewohner*innen aber trotz steigender Preise durchschnittlich einen Restaurantbesuch pro Woche, so Susanne Kraus-Winkler. 

“Ich denke also, dass die Gastronomie ein leistbarer Luxus ist, und deshalb bin ich mir zu 100 Prozent sicher, dass die Gastronomie einer der wichtigsten Bestandteile der Tourismusindustrie ist und immer sein wird.”
Susanne Kraus-Winkler

Abschließend demonstriert Sacher-Küchenchef Anton Pozeg mit seinem Team bei einem Lunch eindrucksvoll, dass heimische Kulinarik sehr wohl Hauptgrund für einen Österreich-Besuch sein kann. Die internationalen Gault&Millau-Herausgeber*innen applaudierten dem Spitzenkoch nach dem Menü dankbar.

von Bernhard Degen 

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