08.03.2023

Starke Stimmen am Weltfrauentag

Parvin Razavi, Judith Knittelfelder, Birgit und Gloria Eichinger, Jasmin Haider-Stadler und Isabella Lombardo über den Spagat zwischen Karriere, Privatem und Gleichberechtigung in der Kulinarik-Branche.

Die Winzerinnen Gloria und Birgit Eichinger
Die Winzerinnen Gloria und Birgit Eichinger © Weingut Eichinger

Am 8. März feiern wir die Frauen. Obwohl es in Wirklichkeit nicht viel zu feiern gibt. Noch immer werden Frauen in vielerlei Hinsicht aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, in veraltete Rollenbilder gedrängt und können Mutterschaft mit Karriere nur schwer vereinbaren. Trotz diverser Fortschritte ist auch die Gastro- und Kulinarik-Branche weiterhin großenteils männerdominiert und hat in puncto Gleichstellung einiges nachzuholen. Wenngleich 60 Prozent der Beschäftigten Frauen sind, so eine Statistik des Arbeitsmarktservice (AMS), sind die Spitzenpositionen – ob in der Küche, hinter der Bar oder vor dem Braukessel – meist männlich besetzt.

Unsere nachfolgenden Protagonistinnen zeigen, dass die Führungsverantwortung nicht nur den Männern vorbehalten ist. Um an diesem 112. Internationalen Frauentag noch mehr Bewusstsein für Gleichberechtigung und die großartigen Leistungen der Frauen zu schaffen, haben wir Judith Knittelfelder, Preisträgerin des Gault&Millau Service Awards, Winzerinnen Birgit und Gloria Eichinger (Weingut Eichinger), Profi-Barkeeperin Isabella Lombardo (Lvdwig Bar), Whisky-Destillateurin Jasmin Haider-Stadler (Waldviertler Whisky) sowie die Haubenköchin und Newcomerin des Jahres Parvin Razavi (&flora) zu ihren Sichtweisen befragt. Eines vorweg: So wichtig die Bekundungen am 8. März auch sind, liegt die Chance auf Veränderung doch in den restlichen Tagen des Jahres.

Gault&Millau: Was bedeutet der Weltfrauentag für Sie persönlich?

Parvin Razavi: Ich finde es wichtig, dass es ihn gibt. Gleichzeitig ist es aber auch traurig, dass es ihn noch immer geben muss. Damit die Benachteiligung, bezüglich Einkommen, Mutterschaft und Teilzeitarbeit, endlich aufhört, ist es jedoch notwendig, dass immer wieder darauf hingewiesen wird.

Jasmin Haider-Stadler: Frauen werden leider noch immer anders behandelt. Deshalb ist dieser geschichtsträchtige Tag ein enorm wichtiger, um Bewusstsein für Gleichberechtigung zu schaffen.

Judith Knittelfelder: Der Weltfrauentag bedeutet für mich Sichtbarkeit in der beruflichen Welt. Es darf keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts passieren, die Leistungen von Frauen müssen den gleichen Stellenwert wie die der Männer haben.

Isabella Lombardo: Die Frau sollte jeden Tag gefeiert werden. Das muss aber gar nicht von den Männern kommen, sondern viel mehr von uns selbst. Das größte Problem ist, dass sich Frauen selbst zu wenig lieben, schätzen und auf sich achten. Deswegen ist es wichtig, dass man sich das in Erinnerung ruft, das sollte aber an jedem Tag so sein.

Birgit Eichinger: Frauen leisten tagtäglich so viel – müssen Kinder, Haushalt und Job unter einen Hut bringen. Das ist aus eigener Erfahrung nicht immer so einfach. Es ist schön, dass an diesem Tag Bewusstsein geschaffen wird, dennoch sollte es uns zu denken geben, dass Frauen im Vergleich zu Männern noch immer benachteiligt sind.

Gab es Situationen, in denen man Ihnen als Frau die Kompetenz abgesprochen hat? Wenn ja, welche?

Parvin Razavi: Weniger die Kompetenz, eher dass ich als alleinerziehende Mutter keine Chefposition belegen kann, weil ich dafür zu wenig flexibel wäre. Das sehe ich als komplette Beleidigung, weil Mütter die Flexibelsten sind. Frausein wird manchmal noch immer als Schwachstelle in der Küche gesehen, Muttersein als zweite Schwachstelle.

Jasmin Haider-Stadler: Ja, vor allem zu der Zeit, als ich bei der Whisky-Brennerei meiner Familie gestartet und meine ersten Fachmessen besucht habe. Da wurde ich oft nicht ganz ernst genommen. Es wurden mir etwa „Likörchen“ angeboten, weil lange für viele in der Branche Whisky und Frauen nicht zusammenpassten.

Judith Knittelfelder: Das ist gerade als junge, erfolgreiche Frau alltäglich. Die Menschen erwarten nicht, dass ich mit meinem Alter bereits diverse Ausbildungen absolviert oder Auszeichnungen gewonnen habe. Dass trotz meines Alters und Frausein aber harte Arbeit, Wille und viel Einsatz dahintersteckt, wird oft nicht wahrgenommen.

Isabella Lombardo: Ach, andauernd. Als Frau darf ich mir zwar oft mehr erlauben als Männer, dennoch passiert es mir immer noch, dass gewisse Gäste bei meinen männlichen Kollegen bestellen möchten, weil sie mir nicht zutrauen, dass ich die Bar-Chefin bin. Da werde ich kurzerhand auch mal gefragt, ob ich denn weiß, wie man einen Negroni mixt. Ich bin aber schon viel zu lange in der Gastro, als dass ich jede Kleinigkeit persönlich nehme.

Birgit Eichinger: Als ich mit 23 Jahren begonnen habe, wurde ich oft nicht ernst genommen und belächelt. Da unsere Weine jedoch von Anfang an sehr gut waren und die Erfolge auch nicht lange ausblieben, hat sich das schnell geändert. Letztendlich haben mich negative Erfahrungen in meinem Tun nur noch mehr bestärkt.

Gloria Eichinger: Manche können sich vielleicht noch immer nicht vorstellen, dass ich mir als Frau im Weinkeller die Hände schmutzig mache und nicht nur für das Marketing zuständig bin, aber es hat sich auf jeden Fall sehr viel im Vergleich zu früher getan. Seitdem ich im Weingut tätig bin, habe ich nur positive Erfahrungen gemacht.

Welche Frau hat Sie in Ihrem Leben besonders inspiriert?

Parvin Razavi: Es begegnen mir im Leben immer wieder Frauen, die mich inspirieren. Das sind insbesondere Frauen, die in ihrer Mitte bleiben. Dazu zählen auch meine jungen Mitarbeiterinnen – für mich ist es eine großartige Aufgabe, sie zu Mentoren.

Jasmin Haider-Stadler: Meine Eltern, besonders meine Mama. Ohne sie wäre der Betrieb nicht der, der er heute ist. Außerdem die Whisky-Brennerin Bessie Williamson. Sie war im 20. Jahrhundert die erste Frau überhaupt, die eine Destillerie geleitet hat.

Judith Knittelfelder: Im Privaten meine Mama, die den Alltag mit drei Kindern, zwei Katzen, Haus und Garten mit Leichtigkeit geschupft hat, und von Anfang an immer nebenbei gearbeitet hat. Beruflich gesehen Lisl Wagner Bacher, eine starke, autonome Frau zu einer Zeit, wo überhaupt keine Frauen in der Spitzengastronomie bekannt waren.

Isabella Lombardo: Da gibt es nur eine einzige: Meine Mama. Sie hat mich und meinen Bruder allein aufgezogen und für uns all ihre Träume aufgeopfert, nur damit es uns gut geht. Sie ist die stärkste und schönste Frau, die ich kenne.

Gloria Eichinger: Meine Mutter ist schon immer mein ganz großes Vorbild. Sie hat so viel erreicht in ihrem Leben. Jede Hürde hat sie mit Bravour gemeistert und sich nie unterkriegen lassen. Das bestärkt mich sehr.

Wofür versuchen Sie sich immer Zeit zu nehmen, egal was passiert?

Parvin Razavi: In erster Linie für meine Kinder. Aber auch für mich persönlich, indem ich mir bewusst Zeit nehme und in die Natur gehe, zur Beruhigung und um meine Gedanken zu ordnen. Ich liebe es beispielsweise im Frühling zu gärtnern.

Jasmin Haider-Stadler: Es ist mir besonders wichtig, viel Zeit mit meiner vierjährigen Tochter zu verbringen. Daneben versuche ich aber auch immer, mir bewusst Zeit für mich zu nehmen.

Judith Knittelfelder: Für das Frühstück, wenn möglich mit Zeitung. Denn ohne dem geht tagsüber gar nichts!

Isabella Lombardo: Vor gewisser Zeit habe ich mir vorgenommen, dass ich alle drei Monate in den Urlaub fahre. Das hilft mir für meine Gelassenheit, denn früher war ich unausgeglichen und streitsüchtig – mittlerweile lasse ich mich nicht mehr auf Provokationen in der Gastro ein.

Birgit und Gloria Eichinger: Für unsere Familie und Freunde, dafür muss immer Zeit sein! Das sind unbezahlbare Stunden, in denen man wieder Energie tanken kann.

Ist die Gleichberechtigung in Ihrer Branche aus Ihrer Sicht bereits angekommen? Wo würden Sie sich Veränderungen wünschen?

Parvin Razavi: Es scheint, als wäre die Branche – auch mit dem Umdenken aufgrund des Fachkräftemangels – aufgewacht, denn die Sensibilisierung ist mittlerweile viel stärker da. Ich hoffe, dass es sich dabei um keinen Trend handelt. Trotzdem ist natürlich noch viel Luft nach oben, aber wir sind auf dem richtigen Weg.

Jasmin Haider-Stadler: Obwohl Männer grundsätzlich positiv auf Frauen in der Whisky-Branche reagieren, gibt es nach wie vor den einen oder anderen, der die Kompetenzen der Frauen infrage stellt. Frauen können das Know How genauso haben wie ihre männlichen Kollegen – das muss mehr in das allgemeine Bewusstsein gerückt werden.

Judith Knittelfelder: Die Spitzengastronomie ist weit weg von Gleichberechtigung, die Spitzenvertreter in der Küche oder im Service sind zum größten Teil männlich. In Zukunft wünsche ich mir einerseits Unterstützung von Arbeitgeber*innen und von staatlicher Seite, um Beruf, Ausbildung und Familie besser zu vereinen. Andererseits wünsche ich mir mutige Frauen, die zeigen, wozu wir im Stande sind. Und ganz wichtig – endlich das Wort „Fräulein“ aus dem Wortschatz des Gastes verbannen!

Isabella Lombardo: Prinzipiell denke ich, dass die Gastronomie keine Geschlechtssache, sondern eine Charaktersache ist. Trotzdem ist es ein Fakt, dass wir Frauen auf viel verzichten müssen, wenn wir etwa Kinder haben wollen. Eine Zeit lang habe ich persönlich auch viel darüber nachgedacht, dass meine Karriere als Barkeeperin vorbei sein könnte, wenn ich ein Kind habe. Deshalb kann ich es gut nachvollziehen, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderwunsch ein Dilemma für viele Frauen darstellen kann. Das ist etwas, das man in meiner Branche schwer verändern kann und worüber Männer nicht nachdenken müssen.

Birgit Eichinger: In der Weinbranche hat sich sehr viel getan. Es gibt mittlerweile so viele junge tüchtige Winzerinnen. Ich finde eine Benachteiligung ist da nicht vorhanden. Es geht heute viel mehr um das Können und die Kompetenz als Winzer*in. 

Welchen Ratschlag würden Sie jungen Frauen mit auf den Weg geben, die eine Karriere wie Sie anstreben?

Parvin Razavi: Fokussiert bleiben, die eigenen Stärken ausbauen und kurzfristige wie auch langfristige Ziele setzen. Gleichzeitig auch akzeptieren, dass das Erreichen dieser Ziele länger dauern kann. Und ganz wichtig: Sich nicht mit dem Erfolg anderer beschäftigen, denn das raubt einem nur Kraft.

Jasmin Haider-Stadler: Den Vorteil, dass man sich in einer „männerdominierten“ Branche befindet, nutzen und mit Kompetenz überzeugen. Und nicht zu viel nachdenken, sondern einfach machen!

Judith Knittelfelder: Das, was man tut, gerne tun, Einsatz beweisen und sich in manchen Dingen einfach mal was zutrauen. Sich nicht verstecken, dann werden einen diejenigen, die dich auf deinem Weg unterstützen, finden! Und am Abend müde sein, weil man wieder Großartiges geschafft hat, wenn auch manchmal im ganz Kleinen.

Isabella Lombardo: Es ist toll in der Gastro zu arbeiten, man erlebt viel, lernt viele Menschen kennen und verdient ein gutes Geld. Gleichzeitig hat man im Freundeskreis hauptsächlich Gastronom*innen, und da gibt es auch viele, die dem Alkohol und den Drogen verfallen. Deshalb ist es wichtig, die Balance für sich selbst zu finden und einen ausgewogenen Lebensstil zu haben.

Birgit Eichinger: Mut, Fleiß und Leidenschaft für den Beruf gehören auf jeden Fall dazu. Man muss an sich und an das, was man tut, glauben und darf sich von niemandem unterkriegen lassen. Ich bin davon überzeugt, dass alles im Leben möglich ist, wenn man es unbedingt möchte. Hat man es dann geschafft, ist das ein großartiges Gefühl und man ist einfach nur stolz auf sich selbst.

Gloria Eichinger: Ich denke, das Wichtigste im Leben ist es, ehrgeizig zu sein. Diese Eigenschaft wird dich weit bringen!

Galerie

© Michael Königshofer

© Foto beigestellt

© Lineupe Fotografie, whiskyerlebniswelt.at

© Foto beigestellt

von Derya Metzler

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