07.03.2024

Weltfrauentag: Inspirierende Frauen aus der Kulinarik

Winzerin Katharina Gessl, Restaurant-Inhaberin Nora Pein, Gastronomin Emilia Orth-Blau, Sennerin Marlene Kelnreiter, Sommelière Helena Jordan und das Female Wine Collective teilen ihre Perspektiven.

Ein Kollektiv für Frauen aus der Weinbranche
Ein Kollektiv für Frauen aus der Weinbranche © Female Wine Collective

Seit 1911 gibt es den Weltfrauentag. Ein historisch wichtiger Tag, dessen Dasein und fortwährende Relevanz jedoch nicht nur feierlich stimmen. Noch immer beherrscht Chancenungleichheit der Geschlechter viele Bereiche im gesellschaftlichen Leben. Die Kulinarik-Branche eingeschlossen. Festgefahrene Rollenbilder sorgen dafür, dass die Kompetenz von Frauen oft ignoriert wird – etwa, dass bereits im Vorhinein davon ausgegangen wird, dass der Mann der Chef des Betriebes ist. Der viel gesagte Satz, es gebe weniger Frauen als Männer in der Gastronomie, ist schlicht inkorrekt, das besagt auch eine Statistik des Arbeitsmarktservice (AMS). An dieser Stelle ist ein Blick auf Nina Mohimis „The List“ empfehlenswert, auf der Frauen aus dem Kulinarik-Sektor angeführt werden.

Es gibt sie somit – Frauen, die die Branche prägen und Veränderungen bringen. Nachfolgend stellen wir Ihnen einige davon vor, die zwar individueller nicht sein könnten, aber allesamt inspirieren und einen Beitrag für mehr Gleichberechtigung in der Kulinarik leisten. Und das nicht nur am 8. März.

Katharina Gessl

Dass Katharina Gessl heute ihr eigenes Weingut führt, stand nicht von Anfang an auf dem Plan. Als Kind einer Winzer*innen-Familie war der Weinbezug zwar immer da, dennoch wollte sie zunächst „ein bissl weg und etwas anderes sehen“, wie die Zellerndorferin erklärt. Unter anderem absolvierte sie die Ausbildung zur Sommelière, mehrere Studien im In- und Ausland (International Wine Business, Content and Media Strategy, Weinbau und Önologie) und übte Tätigkeiten im Wein-Marketing aus. Eine Vision und die Leidenschaft für den Wein brachten Katharina Gessl schließlich wieder nach Hause ins Weinviertel, wo sie nun 2,65 Hektar Weingärten ihr Eigen nennt.

„Ich habe das Weingut bewusst ‚Katharina Gessl‘ genannt, weil ich bei allen Produktionsschritten dahinterstehe“, sagt die Winzerin. Trotzdem passiere es noch immer häufig, dass manche davon ausgehen, sie kümmere sich nur um das Marketing. „Dank der Vorarbeit vieler Winzerinnen hat sich in der Branche wahnsinnig viel getan, aber es gibt noch Luft nach oben.“ Es gehe bei Frauen nach wie vor zu oft um Äußerlichkeiten als um die Kompetenz, so die 25-Jährige. „Etwas, das bei Männern kaum eine Rolle spielt.“ Das beeinflusse Katharina Gessl in ihrem Tun jedoch wenig: „Ich bin dankbar für mein unterstützendes Umfeld und den konstanten Austausch mit anderen Winzerinnen.“

Winzerin Katharina Gessl
Winzerin Katharina Gessl © Franzi Stegemann

Female Wine Collective

Es könnte kaum passender sein. Vor genau einem Jahr, am letztjährigen Weltfrauentag, wurde das Female Wine Collective gegründet. Ein Zusammenschluss von FLINTA (Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen) aus der Weinbranche, die sich für Gleichberechtigung, Repräsentation und ein respektvolles Miteinander in der Gastronomie einsetzen. „Als wir das Kollektiv ins Leben gerufen haben, hätten wir nicht gedacht, dass sich so etwas Großartiges entwickeln kann“, sagt Gründerin Friederike Duhme. Gestartet als neunköpfiges Kernteam zählt das Female Wine Collective heute 75 Mitglieder, darunter Sommelièren, Restaurantleiterinnen und Winzerinnen. „Die rege Nachfrage hat uns gezeigt, wie groß der Bedarf nach einem Safe Space und einer Anlaufstelle für Frauen in der Gastronomie ist“, sagt Duhme.

Es habe sich seit ihrer Gründung zwar schon einiges verändert, noch immer aber gebe es Situationen, in denen Frauen unerwähnt bleiben oder ihre Kompetenz abgesprochen wird. Auch Themen wie Care-Arbeit und Familienplanung, die ohnehin schwer mit der Gastronomie vereinbar sind, werden als „Frauenprobleme“ angesehen. „Uns gibt es, damit die Branche die Notwendigkeit erkennt, dass über uns gesprochen werden muss“, sagen die Gründerinnen Friederike Duhme und Katharina Six. Das Kollektiv möchte als Vorbildfunktion dienen und junge Frauen für die Branche begeistern: „Wir möchten zeigen, wie schön es sein kann, in der Gastronomie zu arbeiten.”

Das Kernteam: Kim Bechinger, Ester Sökjer-Peterson, Caroline Derler, Friederike Duhme, Kira Huber, Katharina Six, Claire Yuan, Sara Weissteiner (nicht abgebildet: Mara Feißt)
Das Kernteam: Kim Bechinger, Ester Sökjer-Peterson, Caroline Derler, Friederike Duhme, Kira Huber, Katharina Six, Claire Yuan, Sara Weissteiner (nicht abgebildet: Mara Feißt) © Female Wine Collective

Nora Pein

Wer mit Nora Pein spricht, wird schnell Zeug*in ihrer extensiven Leidenschaft für die Gastronomie. Dieser hat sie sich bereits mit 14 Jahren verschrieben. Damals startete die gebürtige Steirerin ihre Karriere in einem Wiener Hotel, wo sie dem Kochen und Gastgeben in einer Doppellehre nachging. „Das dortige Team war wie eine Familie, in der alle dieselbe Hingabe für den Beruf hatten“, sagt Nora Pein. Daraufhin spezialisierte sie sich für die Arbeit am Gast, ging ins Ausland, reiste auf einem Kreuzfahrtschiff um die Welt und arbeitete nebenbei auch bei Veranstaltungen wie dem Kirtag, bis sie in der Wiener Spitzengastronomie sesshaft wurde. „Es war mir immer wichtig, alle Facetten zu kennen, das macht den Weitblick aus.“

Vor einem Jahr hat sie schließlich gemeinsam mit ihrem Partner Stefan Doubek „alles auf eine Karte gesetzt“ und das Restaurant Doubek in der Wiener Josefstadt eröffnet, dem schon jetzt Auszeichnungen prophezeit werden. Hie und da erlebt es Nora Pein, dass sie nicht als Chefin des Hauses wahrgenommen wird, „das hat mich aber nie beeinträchtigt“, wie sie betont. Ihr sei bewusst, dass nicht jede Frau über dieselbe Stärke verfügt, weshalb es ihr ein Anliegen ist, jungen Frauen beizubringen, selbstbewusst durch das Leben zu gehen. „Jede Frau soll das Recht haben, sich zu einer selbstsicheren Frau mit Zielen zu entwickeln."

Nora Pein
Nora Pein © Julius Hirtzberger

Emilia Orth-Blau

Mit ihrem Cateringunternehmen „Rosa & Marie“, das Emilia Orth-Blau gemeinsam mit Fiona Marie Saurer ins Leben gerufen hat, haben sich die beiden einen Traum verwirklicht. Trotz vielseitiger Gastro-Erfahrung spricht Orth-Blau aber von einer Entscheidung, die keine leichte war: „Als junge Frau wird man ganz oft nicht ernst genommen, auch beim Weg in die Selbstständigkeit muss man sich doppelt beweisen.“ Neben Know-how brauche es in der Gastronomie vor allem Mut und Durchsetzungsvermögen.

Mittlerweile haben sie sich ein Arbeitsumfeld geschaffen, das sie gänzlich frei gestalten können. Dennoch: „Wenn wir größere Projekte organisieren, werden wir gerne als ‚junge Mädels‘ gesehen“, sagt Emilia Orth-Blau. „Das erschwert das tägliche Leben, wenn man immer für Respekt kämpfen muss.“ Was die Jungunternehmerin früher demotivierend stimmte, nehme sie heute als Ansporn, das eigene Können erst recht unter Beweis zu stellen. „Und dann sind die Leute überrascht, wenn es junge Gastronominnen gibt, die problemlos mit den älteren mithalten können.“

Emilia Orth-Blau
Emilia Orth-Blau © Stadtmärchen

Marlene Kelnreiter

„In den Bergen, um Träume in Wirklichkeit und Milch in Käse zu verwandeln“, so beschreibt Marlene Kelnreiter ihre sommerlichen Aufenthalte auf der Alm. Kelnreiter ist Sennerin. Ein Beruf, der zwar ursprünglich mit Frauen in Verbindung gebracht wurde, heute aber zweifelsohne Männern vorbehalten ist. „Vor zehn Jahren habe ich erstmals auf der Alm gearbeitet“, sagt Kelnreiter. Zu dieser Zeit war sie noch im Marketing tätig. „Da habe ich gemerkt, dass ich nie wieder Excel Sheets bearbeiten, sondern mit der Natur arbeiten möchte.“ Seit fünf Jahren ist sie nun jährlich um die 100 Tage in bergiger Höhe – immer auf einer anderen Alm –, kümmert sich um die Tiere und stellt Käse her.

Dabei kommt ihr in den meisten Fällen zunächst Skepsis entgegen, wie Kelnreiter beschreibt: „Bauern und Wanderer, meistens Männer, glauben anfangs nicht, dass ich wirklich Käserin bin und sagen meistens Dinge wie ‚na hoffentlich geht das gut‘.“ Sobald sie dann aber nach einigen Wochen immer noch auf der Alm ist, lösen sich die Zweifel auf, ergänzt sie. „Das hat mich zu Beginn verunsichert, mittlerweile schenke ich dem wenig Gehör“, sagt die Sennerin. In der Zeit, in der Marlene Kelnreiter nicht gerade Kühe melkt oder die Milch zu Käse verarbeitet, gibt sie Workshops oder schreibt Bücher. Ihr erstes Buch „Käseglück“ feierte bereits Erfolge, das zweite ist im Entstehen. „Ich möchte die Käsefrauen stärken und traditionelle Denkmuster durchbrechen.“

Marlene Kelnreiter auf der Alm
Marlene Kelnreiter auf der Alm © Lia Eliàs

Helena Jordan

Eines, was Helena Jordan ausmacht, ist ihr Hang zu Veränderungen. Diese Eigenschaft war es wohl auch, die sie zu den unterschiedlichsten gastronomischen Stationen gebracht hat. Vom Mostviertel nach Wien, New York, in die Schweiz und schließlich wieder retour in die Heimat. Dort, im idyllischen St. Valentin, wird sie nun etwas länger sein. Aber auf Anfang. Beim Catering in jungen Jahren fand sie erstmals in die Branche und entdeckte die Liebe für den Wein. Als logische Konsequenz folgte die Sommelière-Ausbildung, eine Anstellung im Tian und schließlich in weiteren namhaften Restaurants im Ausland (Blue Hill at Stone Barns, Schloss Schauenstein, Maaemo). „Anfangs wollte ich gar nicht in die Spitzengastronomie“, sagt Helena Jordan. „Aber es war sehr inspirierend, in unterschiedlichen Bereichen zu arbeiten.“

Bei ihrer Arbeit im Service, insbesondere bevor Gäste von ihren Weinkenntnissen wussten, habe sie oft erlebt, dass die Empfehlungen von Männern mehr gewünscht waren als ihre. „Wenn man als Frau jünger aussieht, hat man es noch schwieriger.“ Umstände, die sie jetzt kaum mehr erlebt, wie Jordan erzählt. 2023 kam sie nämlich wieder zurück nach Oberösterreich und hat sich dort mit ihrem Café Capra, einem Mix aus Bistro und Weinbar, einen Namen gemacht. „Zudem hatte auch die Auszeichnung zur Gault&Millau Sommelière des Jahres positive Auswirkungen“, sagt sie. Sie wünscht sich, dass es Frauen möglich gemacht wird „in derselben Liga spielen zu können, wie Männer“. Mit ihrem Betrieb im Mostviertel hat sie das längst erreicht. Dass die Sommelière aber auch hier nicht gänzlich ohne Veränderungen auskommt, zeigt sich anhand der Weinkarte, die sich fast alle zwei Wochen ändert: „Es wäre sicherlich einfacher, wenn ich einige Sachen längerfristig belassen würde, das wäre mir aber zu langweilig.“

Helena Jordan
Helena Jordan © Sophie Kirchner

Wir alle warten auf die Zeit, an der ein Weltfrauentag nicht mehr notwendig ist, weil alle gleichgestellt sind. Bis dahin erinnern wir an die herrschenden Probleme des Patriarchats, aber zeigen einhergehend die Errungenschaften der Frauen auf, die dafür Sorge tragen, dass sich die Branche mehr und mehr in Richtung Diversität und Chancengleichheit bewegt.

von Derya Metzler

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